Angaben in ärztlichen Aufklärungsgesprächen zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts bestimmter Komplikationen (Komplikationsdichte) müssen sich an der Häufigkeitsdefinition des Medical Dictionary für Regulatory Activities (MedDRA), die in Medikamenten-Beipackzetteln Verwendung findet, orientieren. Entsprechendes gilt ebenso für schriftliche Standard-Aufklärungsbögen. Eine von diesen Häufigkeitsangaben abweichende Benennung kann eine verharmlosende Risikoaufklärung darstellen, die die Patienteneinwilligung in den Eingriff unwirksam macht und somit zur Haftung des Arztes oder des Krankenhauses führt.
So hatte jüngst das Oberlandesgericht Nürnberg (Urteil vom 30.04.2015, 5 U 2282/13) entschieden. In dem konkreten Fall war vor einer Hüftprothesenwechseloperation zur Aufklärung der Patientin ein schriftlicher Standardaufklärungsbogen verwendet worden, der eine Auflistung verschiedener möglicher Risiken und Komplikationen enthielt, u.a. den Passus „sehr seltene Nervenverletzungen, die trotz operativer Behandlung (Nervennaht) dauerhafte Störungen wie eine Teillähmung des Beines verursachen können“. Der im Verfahren bestellte fachmedizinische Sachverständige hatte angegeben, dass das Auftreten von Nervenschäden bei Hüftprothesenoperationen eine Wahrscheinlichkeit von 3,5% aufweise; bei Wechseloperationen sei das Risiko erhöht. Das Risiko einer Nervenschädigung der Stärke, wie sie bei der Klägerin aufgetreten war, bezeichnete er mit etwa 0,1%. Angesichts der Tatsache, dass weitaus häufiger Medikamente verordnet und von Patienten eingenommen werden als dass operative Eingriffe erfolgen, und somit Patienten auch deutlich häufiger den Beipackzettel von Medikamenten mit entsprechenden Häufigkeitsangaben zu Nebenwirkungen lesen, ist das Gericht davon ausgegangen, dass Häufigkeitsangaben, die in Aufklärungsbögen verwendet werden, von Patienten genauso verstanden werden wie die, die in Beipackzetteln für Medikamente verwendet werden. Die Häufigkeitsangaben in Beipackzetteln nach MedDRA definieren den Begriff „selten“ mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 bis 1,0 Promille. Von einer „sehr seltenen“ Nebenwirkung wird gesprochen, wenn die Wahrscheinlichkeit unter 0,1 Promille liegt. Da im entschiedenen Fall das Risiko einer Nervschädigung, wie sie bei der Klägerin eingetreten war, bei 0,1 Prozent lag und damit weitaus höher als 0,1 Promille, aber dennoch im Aufklärungsbogen als „sehr selten“ bezeichnet wurde, hat das OLG Nürnberg angenommen, dass diese Angabe im Aufklärungsbogen als 000eine unzulässige Verharmlosung des Operationsrisikos zu werten ist.
Diese Aufklärungspflichtverletzung führte zu einer Unwirksamkeit der Einwilligung der Patientin in den vorgenommen Hüftprothesenwechseleingriff und mithin zu einem rechtswidrigen Eingriff. Im Hinblick auf die eingetretene schwere und dauerhafte Nervschädigung hat das OLG Nürnberg der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,- EUR zugesprochen.