Bei einer vermuteten ärztlichen Fehlbehandlung hat der geschädigte Patient nicht nur das Vorliegen eines Behandlungsfehlers darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, sondern auch dessen Ursächlichkeit (Kausalität) für den eingetretenen Gesundheitsschaden. Oftmals stellt es sich in der gerichtlichen Praxis so dar, dass ein Behandlungsfehler – i.d.R. durch die Einholung eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens – bewiesen werden kann, es jedoch an dem Nachweis der Kausalität mangelt und der geschädigte Patient – trotz des objektiven Vorliegens eines ärztlichen Behandlungsfehlers – somit keine Ansprüche gegenüber den behandelnden Ärzten oder dem Krankenhaus bzw. dessen Träger durchsetzen kann.
Etwas anderes gilt nur bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers. Ein Behandlungsfehler ist dann als grob zu bewerten, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGH, Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 139/10). Ein Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse ist zum einen dann zu bejahen, wenn es für den konkreten Einzelfall klare und feststehende Vorgaben bzw. Handlungsanweisungen gibt, zum anderen wenn der behandelnde Arzt gegen Leitlinien, Richtlinien oder anderweitige ausdrückliche Handlungsanweisungen verstößt (BGH, Urteil vom 03.12.1985, VI ZR 106/84).
Ist dem behandelnden Arzt ein sog. grober Behandlungsfehler unterlaufen, führt dies gemäß § 630h Abs. 5 BGB zur Umkehr der Beweislast, d.h., der behandelnde Arzt hat nunmehr den Nachweis zu führen, dass der eingetretene Gesundheitsschaden gerade nicht auf dem streitgegenständlichen ärztlichen Behandlungsfehler beruht. Dieser Nachweis ist äußerst schwierig bzw. in der Regel überhaupt nicht zu führen, sodass bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers in den allermeisten Fällen der behandelnde Arzt bzw. das Krankenhaus zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz verurteilt wird. Der Behandlungsfehler muss nämlich nur grundsätzlich geeignet sein, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen; eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Schadenseintritt wird nicht verlangt.
Eine Verlagerung der Beweislast auf die Behandlerseite ist lediglich dann ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, sich nicht das Risiko verwirklicht hat, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen lässt, oder der Patient durch sein Verhalten eine selbstständige Komponente für den Handlungserfolg vereitelt hat und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler des Arztes dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann (BGH, Urteil vom 19.06.2012, VI ZR 77/11). In diesen Fällen verbleibt es auch bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers bei der ursprünglichen Beweislastverteilung.