Vorgetäuschter Eigenbedarf

 

Der Ver­mie­ter kann gemäß § 573 BGB eine ordent­li­che Kün­di­gung des Miet­ver­hält­nis­ses ledig­lich dann aus­spre­chen, wenn er ein berech­tig­tes Inter­es­se an der Been­di­gung des Miet­ver­hält­nis­ses hat. Ein berech­tig­tes Inter­es­se liegt ins­be­son­de­re dann vor, wenn der Ver­mie­ter die Räu­me als Woh­nung für sich, sei­ne Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen oder Ange­hö­ri­ge sei­nes Haus­halts benö­tigt, wenn er mit­hin Eigen­be­darf gemäß § 573 Abs. 2. Nr. 2 BGB gel­tend macht.

 

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Der Bun­des­ge­richts­hof fasst den Fami­li­en­be­griff weit auf, da auch Nich­ten und Nef­fen unter die­sen Begriff sub­sum­miert wer­den. In einem nun­mehr ent­schie­de­nen Fall (BGH, Urteil vom 10.05.2016, VIII ZR 214/15) ging es um eine Eigen­be­darfs­kün­di­gung, wel­che der Ver­mie­ter, wel­cher bereits seit Jah­ren ver­such­te, das ver­mie­te­te Haus zu ver­kau­fen, wegen ver­meint­li­chen Eigen­be­darfs sei­nes Nef­fen gegen­über dem Mie­ter aus­ge­spro­chen hat­te. Nach­dem sich die Par­tei­en im Räu­mungs­pro­zess auf einen Räu­mungs­ver­gleich mit ent­spre­chen­der Räu­mungs­frist geei­nigt hat­ten, ver­äu­ßer­te der Ver­mie­ter nur kur­ze Zeit spä­ter das streit­ge­gen­ständ­li­che Ein­fa­mi­li­en­haus an einen Drit­ten. Ob bzw. wie lan­ge der Nef­fe des Ver­mie­ters ein­ge­zo­gen war, war zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Die Mie­ter behaup­te­ten, dass die Eigen­be­darfs­kün­di­gung nicht rech­tens gewe­sen sei, da der Eigen­be­darf des Nef­fen nur vor­ge­täuscht gewe­sen sei, um die Immo­bi­lie zu einem höhe­ren Preis zu veräußern.

 

Der Bun­des­ge­richts­hof hat die Ent­schei­dung der Vor­in­stanz auf­ge­ho­ben und den Rechts­streit zurück­ver­wie­sen, da nach sei­ner Auf­fas­sung nicht geklärt wor­den sei, ob zum Zeit­punkt der Kün­di­gung bis zum Ablauf der Kün­di­gungs­frist tat­säch­lich der behaup­te­te Eigen­be­darf bestan­den hat.

 

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Der Bun­des­ge­richts­hof hat zudem geur­teilt, dass auch wenn nach einer Eigen­be­darfs­kün­di­gung der Ange­hö­ri­ge, für wel­chen der Eigen­be­darf gel­tend gemacht wor­den ist, in die Immo­bi­lie ein­zieht, Ansprü­che wegen vor­ge­täusch­ten Eigen­be­darfs nicht per se aus­ge­schlos­sen sind. Dies gilt ins­be­son­de­re dann, wenn der Ange­hö­ri­ge von den wei­ter bestehen­den Ver­kaufs­ab­sich­ten des Ver­mie­ters nichts weiß. Der Bun­des­ge­richts­hof hält das Vor­lie­gen eines ernst­haft ver­folg­ten Eigen­be­darfs dar­über hin­aus für unwahr­schein­lich, wenn der Ver­mie­ter offen­sicht­lich davon aus­geht, sei­nen Ange­hö­ri­gen im Fal­le des Ver­kaufs kurz­fris­tig zum Aus­zug bewe­gen zu können.

 

So der Mie­ter ent­spre­chen­de Tat­sa­chen und Indi­zi­en vor­ge­tra­gen hat, wel­che es nahe legen, dass der Ver­mie­ter trotz der Ver­mie­tung an einen Ange­hö­ri­gen sei­ne Ver­kaufs­ab­sich­ten nie auf­ge­ge­ben hat, muss das Gericht ent­spre­chend Beweis erhe­ben. Ansons­ten ist eine Ver­let­zung des Anspruchs auf recht­li­ches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 Grund­ge­setz zu bejahen.

 

Ins­be­son­de­re inter­es­sant ist, dass Scha­dens­er­satz­an­sprü­che wegen vor­ge­täusch­ten Eigen­be­darfs auch nicht gene­rell durch einen zuvor geschlos­se­nen Räu­mungs­ver­gleich aus­ge­schlos­sen wer­den. In den Räu­mungs­ver­gleich ist daher expli­zit die For­mu­lie­rung auf­zu­neh­men, dass mit die­sem Ver­gleich auch etwai­ge Ansprü­che des Mie­ters wegen eines nur vor­ge­täusch­ten Eigen­be­darfs erle­digt sind.

 

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=b884de5710a50bf484b4f2ef989472cf&nr=74870&pos=0&anz=1