Vor jeder Ope­ra­ti­on hat der ver­ant­wort­li­che Ope­ra­teur eine sog. Risi­ko­auf­klä­rung vor­zu­neh­men. Der Pati­ent muss über die Art des Ein­griffs und sei­ne nicht ganz außer­halb der Wahr­schein­lich­keit lie­gen­den Risi­ken infor­miert wer­den, soweit sich die­se für einen medi­zi­ni­schen Lai­en aus der Art des Ein­griffs nicht ohne­hin erge­ben und für sei­ne Ent­schlie­ßung von Bedeu­tung sein kön­nen. Dem Pati­en­ten muss eine all­ge­mei­ne Vor­stel­lung von der Schwe­re des Ein­griffs und den spe­zi­fisch mit ihm ver­bun­de­nen Risi­ken ver­mit­telt wer­den, ohne die­se zu beschö­ni­gen oder zu ver­schlim­mern (BGH, Urt. v. 07.02.1984, VI ZR 174/82 und BGH, Urt. v. 15.02.2000, VI ZR 48/99).

Die­se Risi­ko­auf­klä­rung beinhal­tet auch die Ver­pflich­tung zur Auf­klä­rung über die Mög­lich­keit der Ver­schlech­te­rung eines Lei­dens bei Durch­füh­rung der geplan­ten Ope­ra­ti­on. Lebt ein Pati­ent jah­re­lang mit einer Behin­de­rung, auf die er sich ein­ge­rich­tet hat, und erwägt dann den Ver­such einer ope­ra­ti­ven Kor­rek­tur, der bei ihm ange­sichts der kom­ple­xen Aus­gangs­la­ge mit einem nicht uner­heb­li­chen Risi­ko des Fehl­schla­gens — bis hin zu einer Ver­schlech­te­rung sei­nes bis­he­ri­gen Zustan­des — behaf­tet ist, so muss er dar­über auf­ge­klärt wer­den, um ihm eine eigen­ver­ant­wort­li­che Ent­schei­dung dar­über zu ermög­li­chen, ob er den Ein­griff wagen oder lie­ber abwar­ten und mit sei­nen bis­he­ri­gen Beschwer­den einst­wei­len wei­ter leben will (Ober­lan­des­ge­richt Naum­burg, Urt. v. 09.11.2010, 1 U 44/10).

Das Ober­lan­des­ge­richt Naum­burg sah im vor­lie­gen­den Fall das Selbst­be­stim­mungs­recht der Pati­en­tin ver­letzt, da die­se nicht in ange­mes­se­ner Form dar­über in Kennt­nis gesetzt wor­den war, dass selbst bei feh­ler­frei­er Durch­füh­rung des Ein­griffs eine Ver­schlech­te­rung ihres Befin­dens nicht aus­zu­schlie­ßen war und sie in die­sem Fall den vor­han­de­nen Rest an Mobi­li­tät ver­lie­ren und in ihrer Ent­wick­lung um Jah­re zurück gewor­fen würde.

Die Klä­ge­rin in dem ent­schie­de­nen Fall hat­te zuvor mit ihrer Behin­de­rung jah­re­lang gelebt und sich auf die­se ein­ge­rich­tet. Sie war sich des Risi­kos der mög­li­chen Ver­schlech­te­rung ihres Lei­dens auf­grund der unter­las­se­nen Auf­klä­rung nicht bewusst, sodass sie die Trag­wei­te und die Risi­ken des Ein­griffs nicht abschät­zen konn­te. Auf­grund des­sen konn­te die Pati­en­tin kei­ne umfas­sen­de und infor­mier­te Risi­ko­ab­wä­gung tref­fen, sodass sie nicht wirk­sam in die vor­ge­nom­me­ne Ope­ra­ti­on ein­wil­li­gen konn­te. Auf­grund der Unwirk­sam­keit der Ein­wil­li­gung war der vor­ge­nom­me­ne Ein­griff als rechts­wid­rig anzu­se­hen. Es lagen zudem kei­ne Anhalts­punk­te dafür vor, dass die Pati­en­tin bei ord­nungs­ge­mä­ßer Auf­klä­rung in die risi­ko­be­haf­te­te Ope­ra­ti­on ein­ge­wil­ligt hät­te. Es konn­te somit nicht von einer hypo­the­ti­schen Ein­wil­li­gung aus­ge­gan­gen wer­de. Die­ser Ein­wand des recht­mä­ßi­gen Alter­na­tiv­ver­hal­tens hät­te ansons­ten zu einer Recht­mä­ßig­keit des ärzt­li­chen Heil­ein­griffs geführt, da der glei­che Scha­den auch bei ord­nungs­ge­mä­ßer Auf­klä­rung ent­stan­den wäre.

Der Klä­ge­rin wur­de auf­grund des Auf­klä­rungs­man­gels und der damit ein­her­ge­hen­den rechts­un­wirk­sa­men Ein­wil­li­gung in die streit­ge­gen­ständ­li­che Ope­ra­ti­on ein ent­spre­chen­des Schmer­zens­geld zugesprochen.